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gesucht hat, dem soll eine milde Hand geliehen werden, und weil du
den Schaden willig gelitten hast, so bist du uns nun wieder ein so
guter Amtsbruder nachher wie vorher, sollst wieder dein eigen Werk
hauen und dein Salz in Frieden essen. Sollst auch keine Auflage
zahlen und nicht die geziemende Kollation ausrichten, sondern nur
Gott Zu Lobe in die Kerzen ein Pfund Wachs geben, daß man die
Seelen damit begehen möge. Nimm deinen Platz ein in der Reihe,
wo er dir zukommt!"
„Ich tue mich ganz freundlich bedanken, Amtsmeister und liebe
Werkbrüder!" sagte Dippold, und die nächsten schüttelten ihm die
Hand.
„Nun, Brüder, die andere Bitte!" sprach Meister Gotthard.
„Draußen steht ein Böttcherknecht, der seiner selbst werden will. Er
ist echt, recht und deutsch und als eines Meisters Sohn zum Hand-
werk geboren, denn es ist mein eigener, eheleiblicher Sohn Arnold
Henneberg."
„Er ist uns willkommen!" riesen ihm die Brüder zu.
„Er befreit sich mit einer aus dem Amte," fuhr der Meister
fort, „Dippolds Tochter ist seine Braut. Er will nachtun, was jeder
andere fromme und ehrliche Amtsbruder vor ihm getan hat, wenn
ihr ihm vergönnen wollt, daß er sein Meisterstück macht."
„Wir vergönnend", antworteten die Meister.
Einer bat um das Wort und sagte: „Brüder, wer bei Gotthard
Henneberg das Handwerk gelernt hat, der versteht seine Sache;
darum, wenn es euch recht ist, vermeine ich, daß wir unserem Amts-
meister zu Dank und Ehre seinen Sohn des Meisterstücks entledigen."
„Ja, das wollen wir!" erwiderten viele, aber nicht alle.
„Halt, Brüder!" sprach Meister Gotthard, „das leide ich nicht.
Wer ein Handwerk treiben will, muß es mit der Hand wirken können
und muß es dem Amte beweisen, daß er es kann. Das soll auch
mein Sohn Arnold und soll sein Werkstück nicht zierlich und künstlich
herausstreichen, sondern gute, aufrichtige Arbeit machen nach Hand-
werksgebrauch und Gewohnheit, sonder Arglist und Gefährde. Ist es
euch recht, so laß ich ihn rufen."
„Wir vergönnend!" antworteten die Meister wieder.
„Ich habe dir zu melden, mein Sohn," sprach der Amtsmeister
zu Arnold, als dieser erschienen war, „daß die ehrbaren Meister dir
auf deine fleißige Bitte das Amt auflassen wollen, wenn du mit
deinem Meisterstück unsträfliche Arbeit lieferst, deine Auslage ge-
bührendermaßen in die Meisterbüchse zahlen und ihnen eine redliche
Kost ausrichten willst nach deiner Vermögenheit."
„Ich tue mich ganz freundlich bedanken," erwiderte Arnold,
„und will alles tun nach der ehrbaren Meister Begehr und nach
Handwerks Gebrauch und Gewohnheit."
„Gut, mein Sohn!" sagte der Amtsrichter, „so kannst du wieder
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Extrahierte Personennamen: Gotthard Arnold
Henneberg Gotthard
Henneberg Gotthard Arnold Arnold Arnold
93
deinen Austritt nehmen." Und nachdem Arnold hinausgegangen
war, fuhr er fort: „Jetzt, Brüder, ist es an der Zeit, daß ihr euch
einen anderen Amtsmeister kürt an meiner Stelle. Ihr habt es wohl
schon getan, also nennt mir seinen Namen!"
„Altermann Ditmar Elvers!" riefen die Meister.
„Ditmar Elvers! Da habt ihr eine gute Wahl getroffen,
Brüder!" sprach Gotthard Henneberg.
„Ist einer oder anderer, der etwas auf ihn zu sagen hat, der
rede jetzt und schweige nachmals."
Die Meister schwiegen, und Gotthard Henneberg fuhr fort: „Sie
schweigen; keiner hat etwas aus dich zu sagen, Ditmar Elvers; sie
wissen nichts als Liebes und Gutes von dir. Gelobst du mir mit
handgebender Treue, des Amtes Gerechtigkeit zu richten, zu ver-
kündigen und zu handhaben nach deiner höchsten Redlichkeit?"
Ditmar Elvers reichte Gotthard Henneberg seine rechte Hand,
umfaßte mit der linken dessen Schwert da, wo es aus der Scheide
heraussah und sprach: „Ja, ich gelobe es im Namen Gottes und der
heiligen Dreifaltigkeit."
„So stehe von der nächsten Morgensprache an du hier, Ditmar
Elvers," sagte Gotthard, „und walte deines Amtes nach Pflicht und
Gewissen, nach der Herren Wort und der Meister Eid, auf daß
die Brüder mit dir zufrieden sind und dermaleinst deinen Namen
segnen!"
„Es soll geschehen, Bruder Amtsmeister," erwiderte der Gekorene.
„Und nun, liebe Brüder, komme ich endlich zu meiner letzten
Bitte," sprach Gotthard, nahm den hinter ihm auf einem Stuhl
liegenden hohen Zinnbecher aus seiner Hülle heraus und stellte ihn
vor sich aus den Tisch. „Ich bitte euch, dieses handliche Trinkgeschirr
mit Dank anzunehmen zum freundlichen Gedächtnis an euren lang-
jährigen Amtsmeister."
Da äußerten sie laut ihre Freude über die blinkende Gabe.
Ditmar Elvers trat vor und hielt eine Ansprache, worin er
namens des versammelten Handwerks dem Sülfmeister*) Dank sagte,
nicht nur für das schöne Geschenk, sondern mehr noch für die treue
Führung seines Amtes, aus dem sie ihn ungern scheiden sähen.
Gotthard Henneberg erwiderte: „Als Amtsmeister muß ich meinen
Urlaub von euch nehmen, aber es soll kein Abschied sein; denn wir
bleiben zusammen. Ich bin aus Gunst und gutem Willen eines hoch-
edlen Rates euer Morgensprachsherr geworden an Stelle des Herrn
Heinrich Viskula, der ja nun unser erster Bürgermeister ist."
Darüber jubelten die Werkbrüder und wünschten ihrem neuen
Morgensprachsherrn und sich selber viel Glück dazu.
Hieraus schloß Gotthard Henneberg nach den üblichen Fragen
und Antworten die Lade und so auch seine letzte Morgensprache.
*) Besitzer eines Anteils am Salzwerke.
Jul. Wolfs.
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Extrahierte Personennamen: Arnold Ditmar_Elvers Gotthard_Henneberg Gotthard_Henneberg Ditmar_Elvers Ditmar_Elvers Gotthard_Henneberg Ditmar
Elvers Gotthard Gotthard Ditmar_Elvers Gotthard_Henneberg Heinrich_Viskula Heinrich Gotthard_Henneberg Wolfs
195
fährt der Kleine endlich aus seinem Nachdenken auf, sieht mich groß an und
fragt mit gezogenem Tone: „Wollen Sie hier im Hause jemand sprechen?"
Verdrießlich, daß ein solches Männchen es wage, mich ohne weitere
Umstände anzureden, entgegnete ich in ziemlich hochtrabender Weise: „Ich
habe ein Geschäft mit dem Hause Mohrfeld."
Der Kurze lächelte einen Augenblick und sagte dann ziemlich ernst:
„Ich bin Mohrfeld."
Wie? Und von diesem Manne, der seine Fische selbst einkaufte und
in einem abgeschabten Oberrocke einherging, sollte mir Hilfe kommen? —
Aber es war der einzige Hoffnungsanker, nach dem ich greifen konnte; ich
riß also blitzschnell den Hut herunter und sagte mit so einnehmendem
Wesen, als es mir möglich war: „Verzeihen Sie! — Ich hatte bis jetzt
nicht die Ehre — ich habe", hier zog ich die Brieftasche — „ein
Schreiben zu überreichen."
Herr Mohrseld unterbrach mich: „Jetzt nicht; nachher werde ich Sie
sprechen im Kontor, Sie müssen aber etwas warten. Kommen Sie!" —
Er trat in das Haus und ich hinter ihm drein. Auf der Vordiele war
ein reges Leben, zwei große Wagschalen hingen von der Decke herab,
mehrere Quartiersleute schleppten Kaffeesäcke heran, die sämtlich gewogen
wurden, ein Kommis stand mit einer Schreibtafel dabei. Herr Mohrfeld
sah eine Weile schweigend zu und wollte weiter gehen, als einer der Leute
seinen Sack etwas unsanft zu Boden warf, sodaß dieser platzte und die
Bohnen weit umherflogen. „Was ist das für eine liederliche Wirtschaft!"
fuhr der Herr grimmig auf; dann aber bückte er sich und half emsig die
zerstreuten Bohnen aufsammeln, wobei er in Zwischenräumen folgendes
sprach: „Sammelt mir hübsch alles auf, und steckt es wieder in den Sack
hinein — dann soll die schadhafte Stelle ausgebessert werden. — Sic,
Herr Möller," — hierbei sah er den Kommis an — „werden den Sack
besonders nachwiegen lassen, und wenn etwas an dem Gewicht fehlt, be-
rechnen Sie's und schreiben Sie es dem unvorsichtigen Menschen zur Last,
es soll ihm am Wochenlohne abgezogen werden."
„Das ist doch hart," meinte jener, „so ein paar Bohnen —"
„Paar Bohnen?" entgegnete der Kaufmann, „wer das Kleine nicht
ehrt, ist des Großen nicht wert; aus achtundvierzig Schillingen besteht ein
Taler, und zu einem guten Weinjahre gehören viele warme Tage. Also
nicht der Mühe wert? Unachtsamkeit ist ein großer Fehler und der Ruin
eines ordentlichen Geschäftes. Herr Möller, sobald der Mann noch eine
einzige, auch die kleinste Unachtsamkeit begeht, lohnen Sie ihn auf der
Stelle ab, ich mache Sie verantwortlich!"
„Großer Gott," dachte ich, „um einer Hand voll Kaffeebohnen
willen einen Mann außer Brot setzen, wie hart, wie grausam! Wie wird
es mir ergehen!"
Ein junger Mensch, mit der größten Eleganz gekleidet, kam aus dem
Kontor, verneigte sich vor Herrn Mohrfeld und wollte zur Tür hinaus,
aber auf einen Wink seines Prinzipals stand er still.
„Wie sehen Sie denn aus?" ftagte der Kaufmann unwillig, „ist
13*
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281
Terrassen gegen die Elbe kehren sollte. Der Zwinger bildet ein 250 Meter
langes und 100 Meter breites Viereck, dessen weiten Raum ein langer
Slulengang mit sechs Kuppelgebäuden und drei Prachttoren umschließt und
in dessen Mitte seit 1843 das Denkmal Friedrich Augusts des Gerechten,
ein Werk Rietschels, aufgestellt ist. .
Verschiedene Sammlungen, wie der mathematisch-physikalische Salon,
das Naturalienkabinett, das geologische Museum u. a., sind in den Zwinger-
bauten untergebracht. In der Gemäldegalerie, in der sich die herr-
lichsten Ölgemälde fremder und deutscher Meister, namentlich älterer Schulen,
bcsinden, bewundern wir vor allem Raffaels Sixtinische Madonna,
die einst für zwanzigtausend Dukaten angekauft wurde. Die Mutter Gottes
schwebt mit dem Kinde auf dem Arme aus den Wolken, die sich zu lauter
Engelsköpfen gestalten, hernieder, um den heiligen Sixtus und die Barbara
zu segnen. Als Seitenstück zur Madonna von Raffael besitzt die Galerie,
die ebenfalls viel bewunderte Madonna von Holbein. Von den übrigen
älteren Meisterwerken seien nur noch hervorgehoben die „Heilige Nacht"
von Correggio und Tizians „Zinsgroschen". In den letzten Jahrzehnten
sind auch neuere Werke angekauft worden, besonders solche von Dresdner
Künstlern, und es hat die Galerie auf diese Weise eine sehr schätzenswerte
Bereicherung erfahren.
Eine hervorragende Stätte der Kunst ist das neue, von Semper
erbaute Hoftheater, eins der schönsten Theater der Welt, eröffnet am
3. Februar 1878.
Nun wenden wir uns der Brühlschen Terrasse zu. Schwerlich
mird man in der Mitte einer andern Stadt einen gleich bequemen, schattigen
Spazierweg wiederfinden, der hoch über dem Ufer eines Stromes sich hin-
zieht und die buntesten Bilder darbietet. Auf den einundvierzig Stufen
einer schönen, 13 Meter breiten Freitreppe steigt man zu dem Brühlschen
Garten empor. Gegenwärtig ist der Terrasse ein neuer Schmuck in den
Akademie- und Ausstellungsgebäuden erstanden, die den bildenden
Künsten gewidmet sind. In dem Albertinum haben die Werke der Bild-
hauerkunst alter und neuer Zeit Aufstellung gefunden. Zwischen und neben
den Neubauten erblickt man in schlichter, aber dennoch vorzüglicher Aus-
führung die Denkmäler der Meister Rietsche! und Semper. Wundervoll
nimmt sich das auf einem Vorsprunge der Terrasse erbaute, weltbekannte
Belvedere aus, der Sammelpunkt für „alle Welt", besonders anziehend,
wenn es bei Nacht im Glanze einer feenhaften Beleuchtung weit in das
Elbtal hinausstrahlt. Gegenüber der Terrasse erheben sich am jenseitigen
Elbufer, dem Königsufer, die vereinigten Gebäude der Ministerien, von
denen das eine dem Finanzministerium zugewiesen ist, das andere die
Ministerien des Kultus und öffentlichen Unterrichts, das Ministerium des
Innern und der Justiz in sich birgt. Auf der Altstädter Seite steht als
Abgrenzung der Terrasse das Zeughaus.
Imponierend und gewaltig ragt unweit der Terrasse die Kuppel der
herrlichen Frauenkirche empor. Ihr Schöpfer war Georg Bahr, ein
schlichtes, sächsisches Dorfkind, im Jahre 1666 zu Fürstenwalde im Erz-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Augusts Friedrich Augusts Barbara Raffael Madonna_von_Holbein Correggio Dresdner
Künstlern Georg_Bahr
381
„Schand' keine", sagte ich und wendete mein Auge nicht von
den Zeilen, die zum Teil gedruckt und zum Teil geschrieben waren, „da
schon eher eine Ehr'.
Stellen muß ich mich."
Der Zettel lautete:
Vorrusung. Rosegger, Peter, Haus-Nr. 18 in Alpel, im Jahre 1843
geboren, von der Gemeinde Krieglach, hat behufs seiner Militärwidmung
am 14. März 1864, vormittags 8 Uhr am Assentierungsplatze zu Bruck
rein gewaschen und in gereinigter Wäsche verläßlich zu erscheinen, widrigens
rr als Rekrutierungsflüchtling behandelt werden und sich die diesfälligen
gesetzlichen Folgen zuzuschreiben haben würde.
Kindberg, den 15. Februar 1864.
(Los-Nr. 67. Der k. ?. Bezirksvorsteher.
Altersklasse I.) Weftreicher m. p.*)
Jetzt war schon auch die Mutter da. Sie konnte es nicht glauben. —
Wie lang tät's denn her sein, daß ich Ueber (kaum) ein Halterbübl wär'
gewesen. Und jetzt auf einmal Soldat!
„Noch ist er's nicht", sagte mein Vater. „Lass nur Zeit", er-
widerte die Mutter. „Und schau ihn nur an. Den schicken sie dir nicht
mehr heim. Jesus Maria, und die Brust wachst sich jetzt auch aus. Dein
schmales Brüste! ist mir allerweil mein Trost gewesen. Daß du letzt'
Jahr aber gar soviel daher gewachsen bist!"
Ich war aus dem Bett gesprungen, wußte aber nicht, wie ich mich
gegen den Vorwurf der trostlosen Mutter verteidigen sollte.
Bis zum 14. März waren noch mehrere Wochen. Die Mutter
wollte, daß ich gar nicht mehr auf die Ster**) gehen, sondern zu Haufe
bleiben sollte, damit sie mich die kurze Zeit noch um sich hätte. Mein
Lehrmeister war immer gütig, er gab ihr nach. Sie verlor sich in
Sinnen und Plänen, wie sie mir diese Zeit, die letzte, die ich um sie sein
sollte, angenehm machen könne. Sie besann sich auf all meine Lieblings-
speisen. Sie sprach die Botengeherin an, daß sie ihr rote Rüben und
gettocknete Kirschen verschaffe, Dinge, die meinem Gaumen damals zur
Lust gewesen sind. Sie streute den Hühnern Hafer über Hafer vor und
»uchte ihnen zu bedeuten, daß ihnen den ganzen nächsten Sommer über
die Pflicht erlassen sei, nur jetzt in dieser großen Zeit sollten sie Eier
legen, sonst wisse sie sich nicht anders zu helfen als Kopfabhacken; denn
der Kaiserliche, wenn er keine Eierspeise kriege, so esse er auch gebratene
Hühner, und wären sie noch so alt und zäh; man glaube nicht, was so
ein junger Mensch, der just im Soldatwerben ist, für Zähne hat!
Ich nahm damals, als die Rekrutierung bevorstand, die Güte der
Mutter ziemlich gleichgültig hin, und anstatt bei ihr zu Hanse zu bleiben,
ging ich zu den Nachbarn und machte Gemeinschaft mit den Burschen,
welche, wie ich, die Vorrusung erhalten hatten.
*) manu propria, mit eigener Hand.
**) Stubenarbeit.
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Extrahierte Personennamen: Rosegger Peter Kindberg Jesus_Maria Maria
49
und rechtlichen Mann zu deinem Einnehmer und bitte ihn dabei — nicht
aus Mißtrauen, sondern wegen Lebens und Sterbens — um zwei Zeilen
Bescheinigung über geschehene Einzahlung.
Aber noch eins! Hat dir mein Sprüchlein „Spare was, so hast
du was!" das Sparen angeraten, so gerate doch nicht aufs Geizen, sondern
laß rechts den Geiz und links die Verschwendung liegen und gehe unbe-
irrt die edle Mittelstraße der Sparsamkeit. Nach dem „Boiksspiegei".
30. Tu' mir den emsigen Gefallen — Kauf Kapiere!
Eins aus dem Leben.
Ich hatt' einen Kameraden. Zu diesem ging ich eines Tages, es
war im Herbste 1872, und sprach, zur Tür hineinstolpernd: „Weißt du
was Neues, Philipp? Heiraten werd' ich!" — „Wa —? Was wirst
du?" — „Heiraten!" — Der Philipp war auf dem Leder gelegen. Jetzt
richtete er sich sachte auf in seiner ganzen Länge, er war ziemlich lang,
und sprach: „Heiraten? du? — Hast du denn Geld, wenn du heiraten
willst?" — „Aber natürlich." — „Na, setze dich zu mir und erzähle!"
Er machte mir neben sich Platz auf dem Leder. Ich dachte, jetzt
wird er alles wissen wollen, wann wir uns kennen gelernt, ob sie blond
ist oder schwarz und wie alt und wie groß? Und ob ich denn keine
Photographie von ihr mit hätte? Auf solche Fragen wäre ich wohl gr-
rüstet gewesen. Er aber legte mir seinen Arm um den Nacken, lachte
mir mit seinem breiten Gesicht in die Augen und sagte: „Aber Junge!
Davon wußte ich ja kein Wort, daß du Geld hast. Wo hast du es
denn?" — „In der Sparkasse." — „Viel?" — „An zweitausend
Gulden!" — Er tat einen lustigen Pfiff und rief: „Ah, da schau man
her! — Und damit willst du jetzt heiraten." — „Im nächsten Frühjahr."
Er klöpfelte mit der Stiefelspitze auf der Diele und setzte bei:
„Weißt, Freund, ich an deiner Stelle möchte meine Braut überraschen
und ihr am Hochzeitstage statt zweitausend Gulden das Dreifache vor-
legen. Das Dreifache, verstehst du? Und spielend, ohne daß du einen
Finger weiter zu rühren brauchst." — „Was meinst du? Heraus damit l"
Philipp schob seine Hände in die Hosentaschen und lehnte sich aufs
Sofa zurück. „Junger Mann," sagte er, „ich will dir was erzählen.
Ich habe gestern mein Landgut verkauft. Es ist schändlich, was so ein
Landgut trägt. Nicht drei Prozente, sage ich dir. Ich schlug's noch
leidlich los um fünfunddreißigtausend, nicht gerade glänzend, aber das
macht nichts, um so vorteilhafter legt sich jetzt das Bargeld an. Ich
komme soeben von der Bank. Siehst du?"
Er zog aus seiner Brusttasche ein Paket Papiere, Wertpapiere.
„Nach ein paar Monaten können sie das Doppelte wert sein, das Drei-,
Vierfache. Du — man hat keine Ahnung, was da heutzutage zu machen
ist!" Er blickte auf seine Taschenuhr, es war eine goldene. „Jetzt ist
es zehn Uhr. Um zwölf Uhr wird die Sparkasse gesperrt." — „Nein,
um ein Uhr", wußte ich. — „Gut, also um ein Uhr. So hast du noch
Lesebuch f. Fortbildungsschulen rc. Nllg. Teil. 4
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Extrahierte Personennamen: Philipp Philipp Philipp Philipp Philipp
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gebildet war. Damit ausklopfend gebot er Stillschweigen und sprach
dann:
„Brüder, ich frage euch, ist es wohl so fern am Tage, daß ich
mag hegen und halten eine hohe Morgensprache?"
Altermann Ditmar Elvers antwortete ihm: „Dieweil die Sonne
scheint über Bäume, Berg und Tal, Blumen und Gras, so ist es
wohl so fern am Tage, daß du magst hegen und halten eine hohe
Morgensprache."
'Der Amtsmeister fragte: „Was soll ich denn verbieten in dieser
hohen Morgensprache?"
Der Altermann antwortete: „Hader und Zank, Scheltwort und
Unlust."
Der Amtsmeister sprach: „So verbiete ich denn Hader und
Zank, Scheltwort und Unlust zum ersten, zum andern und zum
dritten Male. Wer zu reden hat, der rede mit Bescheidenheit und
halte Frieden mit Hand und Mund, damit er schone seines Geldes."
Er öffnete die vor ihm stehende Lade, eine sauber gearbeitete
Eichentruhe mit krausen Eisenbeschlägen, welche die Urkunden enthielt,
entgürtete sich seines Schwertes und legte es, die Klinge eine Spanne
lang aus der Scheide gezogen, vor sich auf den Tisch. Dann hub
er an: „Hochachtbare, fürsichtige Meister! Günstige und liebe Werk-
brüder! Ich stehe als Amtsrichter unserer ehrbaren Böttcher-
gilde heute zum letztenmal hier, wo ich so manches Mal gestanden
habe, wenn Rat, Recht, Amt und Gilde gehalten wurden, und ich
will wünschen und hoffen, daß ich euch mit aller Billigkeit und Ehr-
barkeit zu Dank gedient habe und zu guter Nachrede. Ich übergebe
euch Rollen und Briefe, Regiment und Büchse, Kerzen, Gezierde und
Kleinodien mit reinen Händen, und unsere Rechnung stimmt. Da
ich nun von euch scheide, werdet ihr mir wohl ein paar inständige
Bitten nicht verübeln und versagen. Erstlich ist es meine Bitte und
Meinung, daß wir aus sonderlicher Gunst und Gnade unseren ehe-
maligen Werkbruder Allhard Dippold, obwohl er von den drei Jahren,
die er des Amtes quitt und verfallen fein sollte, erst zwei verbüßt
hat, weil er sich aber brav gehalten, mir auch aus meiner Not
geholfen hat, und aus anderen beweglichen Ursachen wieder in Amt
und Ehren unter uns aufnehmen. Seid ihr einverstanden, Brüder?"
„Jawohl!" riefen sie, „wir vergönnend!"
„Dann, Bruder Amtsbote," wandte sich Gotthard an den
jüngsten Meister, „sei so gut und rufe Dippold herein; er wartet
draußen."
„Allhard Dippold," redete er dann den etwas befangenen Ein-
tretenden an, „kraft des ganzen Handwerks verkündige ich dir, daß
wir dir den Rest der Buße, die wir über dich verhängen mußten,
auf daß ein anderer sich daran stoße, erlassen und uns wieder mit
dir vergleichen und vertragen wollen. Es ist dir kümmerlich ergangen,
und wen der allmächtige Gott mit Kreuz und Beschwerung heim-
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TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
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176
wir hervorheben: wer später einmal im Leben bestehen will, muß
schon in der Jugend seine Aräfte stählen, was dem zukünftigen
Geschlechte aber am meisten nottut, das ist eine bessere allgemeine,
kaufmännische und technische Bildung, wie ste den Lehrlingen in der
Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschule und in der Werkstatt eines
tüchtigen Meisters zuteil wird. Man muß daher die Zeit der
Ausbildung in der rechten weise benutzen; denn eine tüchtige, um-
sichtige Persönlichkeit findet überall Raum, sich zu betätigen und sich
Geltung zu verschaffen; sie ist nicht so haltlos verloren wie diejenige,
die 5chule und Werkstatt mit ungenügender Ausbildung verläßt.
Nach Bücher.
80. Bildet Genossenschaften!
Der Kunstfertigkeit der menschlichen Hand verdankt das Hand-
werk seine Blütezeit.
Aber was vermag heutzutage die geschickte Hand gegen die
Maschine, die, mit äußerster Genauigkeit und Sicherheit arbeitend,
weit besser sägt, bohrt, locht und schneidet, als das je einem Menschen
möglich ist! Was bleibt da dem armen Handwerker noch zu tun
übrig?
O, noch sehr viel! Der Uhrmacher Lenz, den uns Berthold
Auerbach in seiner Schwarzwaldgeschichte „Edelweiß" schildert, ver-
zagte auch nicht, als er erfuhr, daß in seinem Orte eine große Uhren-
fabrik errichtet werden sollte. Wie in Amerika würde man jetzt Uhren
machen, hieß es, an denen man keinen Feilenstoß sehe, alles schaffe
man durch Pressen nüt Maschinen. Der ruhige Lenz aber suchte jetzt
ins Werk zu setzen, was er lange schon geplant. Seine Ansicht war:
Die Arbeitsteilung allein kann helfen. Die Achsen, Räder und
Triebe, die Gesperrfedern und Schrauben lassen sich fabrikmäßig
billiger und genauer Herstellen. Die Zusammensetzung bleibt dann
immer noch den Meistern; dazu gehören allein Menschenverstand
und Bedacht. Die Teile aber sollen alle Uhrmacher der Gegend
in der Fabrik Herstellen lassen. Weil sich aber eine Maschine nicht
nach dem Gutdünken jedes einzelnen einrichten läßt, so ist es not-
wendig , daß man sich aus fünf Größen einigt, in denen die Uhren
fortan herzustellen sind. Ist aber erst in dieser Hinsicht eine Einigung
erzielt, so wird sehr leicht eine gemeinschaftliche Fabrik eingerichtet
werden können. Die einzelnen Meister werden noch an der fabrik-
mäßigen Herstellung der Uhrteile einen Gewinn statt des Schadens
haben. Lenz wollte also eine Genossenschaft von Uhrmachern gründen,
um die Vorteile des Maschinenbetriebes für sein Handwerk auszu-
nutzen, ohne daß der bisherige Meister seine Selbständigkeit aufzu-
geben brauchte.
Aber trotz aller Bemühungen kam die erhoffte Einigung nicht
zustande, wie auch heutigestags eine Einigung unter den Handwerkern
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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273
Am enteren ^aferccmde.
Es ist das kleinst« Vaterland
der größten Liebe nicht zu klein;
je enger es dich rings umschließt,
je näher wird's dem Kerzen frin.
83. Müller.
121. Zachsrnlied.
Ven König segne Gott,
den er zum Heil uns gab,
ihn segne Gott!
Ihn schmücke Ruhm und Ehr',
ihn fiieh der Schmeichler Heer!
Weisheit steh' um ihn her,
ihn segne Gott!
wie Kinder liebt er uns
als Vater seines Volks,
er unsre Lust,
wir sollen glücklich sein,
von uns geliebt zu sein,
kann nur sein Herz erfreun;
ihn segne Gott!
Gib ihm gut Regiment,
dem Lande Fried' und Ruh',
den Waffen Sieg!
Er ist gerecht und gut
in allem, was er tut,
schont seiner Sachsen Blut;
ihn segne Gott I
Auf, biedre Sachsen, schwört,
dem König treu und fromm
und gut zu sein!
Eintracht sei unser Band I
Dies schwöret Hand in Hand!
Dann singt das ganze Land:
Ihn segne Gott!
122. Kronprinz Albert und das Königlich Sächsische
Armeekorps in den Jahren 1870 und 1871.
Unter den großen Feldherren, welche die deutschen Truppen im Kriege
von 1870 bis 71 von Sieg zu Sieg führten, steht Kronprinz Albert
von Sachsen mit obenan.
Als Befehlshaber des sächsischen Heeres fand er am 18. August 1870
in der blutigen Schlacht bei Gravelotte zuerst Gelegenheit, seine treffliche
Begabung als Feldherr aufs glänzendste zu bewähren und die große
Kriegstüchtigkeit und hervorragende Tapferkeit seiner Truppen im hellsten
Lichte zu zeigen.
Schon früh um 53/4 Uhr waren sie durch Mars -la-Tour gezogen
und hatten den linken Flügel der großen Armee eingenommen. Gegeu
Ivi% Uhr führte der Kronprinz seine Truppen gegen das Dorf St. Marie
aux Chenes, das von den Franzosen mit furchtbarer Wut verteittgt wurde.
Sieben Bataillone wurden zum Angriff bestimmt; ohne das feindliche
Feuer zu erwidern, gingen diese im Verein mtt preußischen Garden
nach 3 Uhr unverweilt zum Laufschritt über und stürzten sich mit weithin
schallendem Hurraruf dem Ziel entgegen. Die Verteidiger vermochten dem
ungestümen Andränge nicht standzuhalten; sie ließen diesen wichtigen Puntt
dem Angreifer, der noch einige hundert Mann zu Gefangenen machte.
Aber die schwerste Arbeit war noch zu tun. Es galt, die Hauptstellung
des Feindes, das Dorf Sr. Privat, zu erstürmen. Während die preußischen
Garden von Westen her den Feind beschäftigen, zog Kronprinz Albert seine
Lesebuch s. Fortbildungsschulen rc. Mg. Teil. Hz
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Extrahierte Personennamen: Albert Albert
von_Sachsen August Marie
aux_Chenes Kronprinz_Albert